Ein Artikel von Barbara Jochum und Elisabeth Walser-Mittendorfer
2013 haben ein Gynäkologe und eine Hebamme in Berlin die Aufnahme der „normalen Geburt“ in die UNESCO Liste des immateriellen Kulturerbes beantragt. Als Beweggrund für diese Bewerbung führen sie an, dass Schwangere aufgehört haben „guter Hoffnung zu sein“, dass das Wissen um die natürlichen Prozesse verloren ginge und die menschlich zugewandte Betreuung in der Schwangerenbegleitung und Geburtshilfe zugunsten von immer mehr Technik in den Hintergrund getreten sei.
Ausgehend von unserer Erfahrung in der Schwangerenberatung und angeregt durch den UNESCO-Antrag gehen wir in den folgenden Überlegungen der Frage nach, wie die technischen und medizinischen Entwicklungen das Erleben von schwangeren und gebärenden Frauen verändert haben.
Vor etwa 100 Jahren sind Schwangerschaft und Geburt trotz des alltäglichen Charakters eine Überlebensfrage, eine Zeit des Zitterns und Bangens. Die Säuglings- und Müttersterblichkeit ist hoch, Leben und Tod liegen nahe beieinander. Frauen sind „guter Hoffnung“, „in anderen Umständen“, „gehen schwanger“. Das Kinder bekommen ist Schicksal und auch etwas Geheimnisvolles. Kinderkriegen ist noch Frauensache, Hebammen üben ihr Handwerk tatkräftig aus, heben Kinder ins Leben. Die Sinne sind auf beiden Seiten gefragt – die Frau wird durch ein „Flattern“ oder „sanftes Kratzen“ erstmals ihrer Schwangerschaft gewahr. Die Hebamme sucht die Herztöne mit dem Hörrohr – vieles wird ergriffen, ertastet und gerochen. Schliesslich begleiten Ärzte häufiger die Geburt und durch erste medizinische und vor allem hygienische Fortschritte beginnt die Säuglings- und Müttersterblichkeit zu sinken. Um 1900 starb in Österreich noch eine von 100 Frauen bei der Geburt, heute nur noch 1 von 25’000.
Ab den 60er Jahren kommt es durch den Einzug von Visualisierungstechniken wie dem Ultraschall oder Aufnahmen von Ungeborenen im Mutterleib zu grundlegenden Veränderungen in der Frauenheilkunde und im Körperbezug von Frauen. Das leibliche Erleben von schwangeren Frauen entwickelt sich weg von der inneren haptischen Wahrnehmung hin zu einer „Dominanz des Sehsinnes“, der Kontakt zum Schwangersein entsteht über die äusseren Bilder. Eine Folge dieser Sichtbarmachung ist die Loslösung des Ungeborenen aus der mütterlichen Einheit. Der Embryo als eigenständiger Patient ist „geboren“, das werdende Kind und dessen Gesundheit rückt in den Vordergrund.
Weitere Meilensteine sind in den 70er Jahren die Einführung des Mutter-Kind-Passes, mit dem sich die medizinische Schwangerenvorsorge etabliert. Die Mütter- und Säuglingssterblichkeit sinkt in den Folgejahren drastisch. Im nächsten Jahrzehnt werden im Rahmen der Frauenbewegung Forderungen nach einer selbstbestimmten und sanften Geburt laut, die Väter erhalten einen Platz im Kreisssaal.
In den 90er Jahren wird die Schwangerenvorsorge durch die Pränataldiagnostik erweitert, die – ursprünglich für bestimmte Zielgruppen entwickelt – heute ein medizinisches Angebot ist, zu dem sich alle schwangeren Frauen verhalten müssen.
Eine spezifische emotionale Herausforderung der Fehlbildungsdiagnostik besteht darin, dass der Ultraschall einerseits schon sehr früh ein sichtbares personales Gegenüber „erzeugt“ und gleichzeitig mögliche Befunde dazu führen können, dass das Leben des werdenden Kindes jederzeit zur Disposition stehen kann. Zudem hält die schwangere Frau das „Ja“ zum Kind noch zurück, Bindung wird „verschoben“ und manchmal bleiben Angst und Irritation, auch ohne eindeutigen Befund.
Ganz grundsätzlich wird der Fokus auf und die Sorge um mögliche Risiken für Mutter und Kind mehr und mehr bestimmend für das Erleben von Schwangerschaft und Geburt. Entsprechend verbinden Frauen oft Sicherheit mit dem Ausmass an medizinischen Untersuchungen und Interventionen, die zum Bewältigungsritual im Umgang mit der Angst werden. Eine abwartende und vertrauensvolle Haltung wird im Kontext der medizintechnischen Angebote schwieriger. So sehen sich Frauen nicht selten vor Leistungsanforderungen, denen sie sich mit ihrer Leiblichkeit allein nicht gewachsen fühlen. Dazu gehört auch, sich immer wieder für oder gegen Massnahmen entscheiden und die Konsequenzen allein verantworten zu müssen.
”Fazit unserer Überlegungen ist, dass Schwangerschaft und Geburt medizinisch gesehen noch nie so sicher und gleichzeitig die Unsicherheit und Ängste der Schwangeren noch nie so gross waren wie heute.”
Barbara Jochum und Elisabeth Walser-Mittendorfer
Die Erkenntnis, dass Schwangerschaft und Geburt bei aller medizinischen Sicherheit existentielle Lebenserfahrungen sind, die nicht nur körperlicher, sondern genauso emotionaler und sozialer Natur sind, bewirkt langsam ein Umdenken. Es stellt sich die Frage, was Frauen brauchen, um als Schwangere wieder „guter Hoffnung“ zu sein und sich zuzutrauen, ein Kind gut auf die Welt bringen zu können?
Nicht nur aus unserer Sicht ist in der Schwangerenvorsorge und Geburtshilfe ein Punkt erreicht, wo ein Mehr an Technik, Medikalisierung und Interventionen nicht mehr automatisch „besser und sicherer“ bedeutet, sondern selbst komplexe Probleme für Mutter und Kind hervorrufen kann. Es gilt daher, neben dem Blick auf das Risiko wieder das Potential des biologischen Geburtsprozesses zu sehen und die Fähigkeiten der Frau und des Kindes durch Begleitung und Fürsorge zu stärken. Es geht um Salutogenese und Empowerment im Rahmen evidenzbasierter medizinischer Konzepte, damit jene überwiegende Mehrheit der Frauen, für die Schwangerschaft und Geburt aus der eigenen Kraft möglich wäre, sich dazu wieder mehr befähigt fühlen.
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